Sonntag, März 12, 2006

Selbstbeherrschung

Gestern sollte ich einen Wagen nach München bringen. Einen VK. VK steht für Verkäufer. Das sind Autos, die mehr als 25.000 km drauf haben oder länger als ein halbes Jahr in der Flotte dabei sind. Jedoch war gestern schon von Freilassing weg so ein mords Verkehr, das ich beschloss den Wagen am Sonntag rauf zu bringen.
So war es dann auch. Ich bin um 16 Uhr hier in Rosenheim losgefahren. Alles verlief soweit reibungslos. Der Mercedes schnurrte auf der Autobahn mit 220 km/h dahin, sodass ich innerhalb von etwa 30 Minuten München erreichen würde. Die Straße war relativ leer und so war ich auch guter Dinge. Zumindest bis ich dann auf Höhe der Ausfahrt Bad Aibling war. Hier war schon wieder mehr los und ich mußte mein Gefährt leider auf 160 km/h drosseln. Das trübte meine Laune zwar nur gering, aber ich war doch schon ein bißchen missmutig. Naja. Der Verkehr schlurfte ab dem Irschenberg nur noch mit 100 km/h dahin. Ich hatte meinen zweiten Knick in der Laune. Zu allem Überfluß fing es auch noch ganz dufte an aufzuflocken, so das sich ein rutschiger Matschfilm auf der Straße bildete. Ich war der festen Überzeugung, das meine Firma mich im Winter doch darüber aufklären würde ob ich Sommer-, Winter-, oder Alljahresreifen aufgezogen habe. Mein Vertrauen war gebrochen: Alljahresreifen. *kotz* Nichts Ganzes und nichts Halbes. Auf deutsch: ein richtiger Scheißdreck. Dritte Spaßbremse. Soweit gings ja noch. Sowas erlebt man ja des öfteren. Aber jetzt gings erst richtig los: vor Weyern staute es sich wieder. Schon wieder! Ich wollte langsam kotzen! Das kann es doch nicht geben! Sogar am verdammten Sonntag gibts Stau auf der Autobahn weil so ein paar bescheuerte Goudaköpfe sich in scheiß Holland keine Winterreifen aufziehen können. Pulsmessung: 105. Temperatur: noch normal.
Also gut, dann geht es eben jetzt auf der Landstraße nach München weiter. Ich fuhr von der Autostrada ab und hinauf auf die U36. Ha! Wär doch gelacht, wenn mich so ein dämlicher Stau aufhalten würde. Der Schnee nahm aber nun rapide an Dichte zu. Wie gut das so eine E-Klasse mit allen Schikanen ausgestattet ist. Xenons sind ja eh schon spitze, aber dann noch Nebelleuchten und die Sicht ist gerettet. Ich fuhr so dahin und dachte mir nix böses. Verschiedene kleinere Ortschaften zogen an mir vorüber. Jetzt kam allerdings eine Größere. Und hier gabs gemeine enge Kurven. Weil ich ein guter Autofahrer bin, will ich mich und die Anderen Verkehrsteilnehmer nicht gefährden. So reduzierte ich meine Geschwindigkeit auf nur noch 30 km/h in der Ortschaft, doch, oh böse Schmierseifenbeschichtung, rutschte der Wagen beunruhigend stark in Richtung Gegenverkehr. Puls: 120. Adrenalinspiegel: mittel. Bremsen, lenken und fluchen. Puh, das ging ja nochmal gut. Verdammter drecksbeschissener Schneematschscheißkack! (ich mag Fäkalflüche).

Ok, verstanden. Also nur noch 10 km/h. Meine Laune näherte sich zielsicher der Aussentemperatur. Nun verlief der restliche Weg zwar im Schneckentempo bis zum münchner Stadtrand aber ohne weitere Zwischenfälle.
Der nächste Wehrmutstropfen kam, als ich auf dem VK-Sammelplatz einen feurigen Drift hinlegen wollte. Der Mercedes hat zwar Heckantrieb, aber ich wollte es lieber piano angehen lassen. Einfach nur mit der Handbremse. Doch eine solche, wie man sie dazu benötigt, gibts nicht. Nur ein Pedal und ein Ziehschalter sind installiert. Ich habs versucht, aber es ist nicht das Selbe. Great.

Mittlerweile war es echt schon wieder lausig kalt. -7°C sind einfach keine Temperatur für mitte März.
Noch schnell die Papiere beim Pförtner bestätigen lassen und dann ab zum Bahnhof. Es war mittlerweile Punkt 18 Uhr. Die S-Bahn sollte um 18:09 Uhr kommen. Genug Zeit sich ein Bayernticket Singel zu lösen und nochmal kurz Pinkeln zu gehen. Na endlich kam der Zug. Fast Pünktlich. Bis zum münchner Hauptbahnhof war auch noch alles soweit normal.
Doch nun liebe Freunde nimmt die Geschichte ihre drastische Wende. Meine Laune war mittlerweile auf einer Skala von 1-10 (wobei 10 das Max. ist) bei 5. Mir war kalt. Ich war müde und das Wetter war scheußlich windig, eisig und nass. Hier am Bhf ging es zu, als ob es etwas umsonst geben würde. Hunderte Menschen liefen ziellos durcheinander. Ein kurzer Blick auf die Anzeigetafel verriet mir, was ich mir eh schon dachte: natürlich fuhr der Zug in exakt vier Minuten von Gleis neun. *doppel kotz* Also durch den kompletten Bhf bis nach ganz hinten unten laufen. Und zwar in jetzt nur noch 3:50 Minuten. Ich hasse sowas. Typisch Murphys Law! Wenn etwas schiefgehen kann, dann wird es das auch tun. Ich habe Glück das Gott mich mit der Ausdauer eines Iron Man und den flinken Beinen einer Gazelle ausgestattet hat. In Rekordtempo flitzte ich den Bahnsteig entlang, sprang mit einem Satz gerade noch in die sich eben schließende Tür, in der auch der unfreundlich Schaffner stand, der mit der Intensität eines Kompressors in seine Pfeife stieß. Meine Ohren klingelten das Konzert für 12 Schiripfeifen.
"Häy, näxts' moi kimmst a bissl eher, host me?! Jeds moi muas i auf so an Dodl wia di wartn!" - "Was? Was will der Penner von mir? Fick dich, du Arschgeige! Renn du doch Vollgas durch den ganzen Bhf bei der Kälte!" dachte ich mir und warf ihm nur einen bösen Blick zu. Blöder Schaffner! Elender Klugscheißer! Ganze fünf Waggons durchstrich ich, bis ich einen Platz gleich an der Tür gegenüber eines halbwüchsigen Punkers (oder sowas Ähnlichem) ergatterte. Der Kerl war etwa 17 Jahre alt, trug ein schwarzes T-Shirt mit der Aufschrift: "Aber ich hab deine!" (?!?), eine sehr schmuddelige hellblaue Jeans mit sehr vielen Flecken (Used-Style) die bis zum Ansatz seiner mit Union-Jacks bedruckten Springerstiefel aufgerollt war. An einer Gürtelschlaufe hingen zwei ziemlich kaputte Nietengürtel bei denen mehr Nieten fehlten, als welche da waren. Seine Haare waren schmutzig grün gefärbt. Die Haut war bei der Temperatur ganz rot und blau. Er schlotterte vor Kälte, weil er zu cool war einen Pulli anzuziehen. Seine Statur war kräftig. Etwa wie ein Neandertaler. So war auch der Gesichtsausdruck. Nach kurzer Zeit kamen auch noch zwei Mädels in ähnlicher Kinder-wollen-gegen-Eltern-rebellieren Montur. Sie blubberten unentwegt von irgendwelchen unglaublich tollen Punkkonzerten bei denen sie hektoliterweise Bier vernichteten und ganz toll pogten. Ich habe solche Leute schon immer verachtet. Biersaufen und aggro-sein. Wow! Die Spitze der Evolution.
Der Punk zog einen Radio aus seinem Rucksack und drehte ihn ordentlich laut auf: "...Bullenschweine...Anarchie...bla bla bla...!" dröhnte aus den Boxen. Ich verdrehte die Augen und machte meine iPod lauter. Aber es half nichts. Zum einen ging die gottverdammte Abteiltür, die die Kälte und den Krach von der Wagonverbindung abschirmt nicht zu, und zum Anderen quäkten die Punkis mit dem Radio im Chor. Konnte es noch beser kommen? Es war kalt, laut und ungemütlich. Ja es konnte! Der Neandertaler kramte in seiner Hosentasche und zog eine verbogene Zigarette heraus. Ich dachte: "Das kann es wohl nicht sein!" Er zündete sie sich an und machte sich eine Flasche Helles auf. Ich schaute ihn an, aber er begriff nichts. Am liebsten hätte ich ihn seine scheiß Kippe samt Bier und Radio fressen lassen. Ich machte ihn höflich darauf aufmerksam, das es verboten sei im Zug zu rauchen obendrei würden es mich ANKOTZEN!!! Meine Laune war bei -3. Ich war echt angepisst. "Uh, äh, ja und...?" war die grunzende Antwort. AAAAAAAAAAAAAAAAAAHHHHHH!!!! Wie ich solche Leute hasse! Ich hasse sie so sehr! Sollen sie doch unter ner Brücke rumasseln, aber nicht bei mir! "Mach den scheiß Krebsstengel aus, verdammt!" knurrte ich ihn an. Er glotzte mich so abgrundtief dämlich an. Ich hatte das Gefühl als ob ihm gleich seine beschissenen Kuhaugen aus dem hirnlosen Schädel kullern würden. "Hey Alter..." - "Was?!? Wer sültzt mich mit so einer Valiumstimme von der Seite an?!" durchfuhr es mich. "Bleib mal ganz chillig, Alter!" Wenn ich etwas noch mehr hasse, dann sind das so ultrasoziale Punkerfotzen die mit ihrem seichten Gewäsch denken alles immer ins Lot zu bekommen! "ICH BIN RUHIG!" donnerte ich. "MACH EINFACH DIE VERDAMMTE KIPPE UND DEINEN BESCHEUERTEN BRÜLLWÜRFEL AUS!" Noch größere Augen. Jetzt auch vom Nachbarabteil. Laune: -24. Puls: 180. Temperatur: Siedepunkt. "Was glotzen sie so blöd?!" raunte ich die Nachbarn an. Stammeln und Händeringen war die trollhafte Antwort. Der Punk bibberte immer noch vor Kälte und verschüttete beim Saufen Bier auf seinem Shirt und der Jeans. "Wirds jetzt bald?!" zischte ich. Mit grobmotorischen Wurstfingern drückte er an seinem Radio herum. Dabei schob er den Volume-Regler auf MAX was mich dazuveranlasste meine Hände zu Fäusten zu ballen das sich die Knöchel weiß abzeichneten. Dann endlich Stille. Er stopfte seinen Glimmstengel in den Abfallbehälter und gab Ruhe. Die Sozipunkis auch. Ich atmete tief ein und widmete mich wieder meinem Magazin. Sogar die Abteiltür schloß sich.

Aber nur für etwa zehn Sekunden. Dann kam das nächste Unheil. Ein ca. 55 Jahre alter Säufer kam ins Abteil gestolpert und ließ sich laut stöhnend und ächzend neben uns nieder. Und wie auf Luzifers Kommando hin fing er an mir mit seinem Biermundgeruch nicht nur die Luft sonder auch meine Laune noch weiter zu verpesten. Er lallte ohne Unterlass irgendeinen unverständlichen Kauderwelsch daher. Zudem stank er auch noch fürchterlich. Ich armer Kerl. Wozu hab ich das verdient? Jetzt wurde es abermals besser. Mein guter Freund der Schaffner kam. Er knipste die Karten ab. Aber bei mir wollte er doch tatsächlich 40,- € für Schwarzfahren verlangen, weil ich das Ticket nur mit: "Posse", und das auch nicht in schönen Druckbuchstaben, unterschrieben habe. Jetzt war entgültig Sense! Finito! Schluß, aus und vorbei! Das ist zuviel. Ich sprang auf und lief den Zug weiter nach hinten. Plötzlich kam wie ein Zeichen Gottes das Schild "Rosenheim" am Fenster vorbeigezischt. Ich Stieß einen Freudenseufzer aus als der Zug hielt, drosch die Tür mit übermenschlichem Elan auf, sprag in weitem Satz aus dem Höllenzug hinaus und lief in die Nacht davon.

2 Comments:

Anonymous Anonym said...

also ich mag punker.

13 März, 2006 17:48  
Blogger posse84 said...

Es kommt drauf an. Ich war zu dem Zeitpunkt leicht gereizt. ;)

13 März, 2006 21:50  

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